good-to-know 2019/12: Was können Automobilzulieferer vom Fall Wilke Fleisch lernen?

12.Dezember 2019

Trotz aller Unterschiede gibt es viele Parallelen zwischen Automobilzulieferern und Fleisch- und Wurstherstellern: niedrige einstellige Margen, hohe Marktmacht der Kunden, hohe Verantwortung gegenüber den Endverbrauchern und eine sich ändernde Nachfrage.

Um die Parallelen greifbar zu machen, haben wir im Einführungsabsatz des Lageberichts 2017 von Wilke Fleisch lediglich zwei Worte ersetzt: „Fleisch- und Wurstwaren“ durch „Autos“ und „Handel“ durch „OEMs“. Der Absatz liest sich dann wie folgt: „Der inländische Absatzmarkt für Autos war… ein sehr schwieriger Markt. Der Mengenabsatz ging auf breiter Front zurück. Die Preise blieben unter Druck. Die Konzentration [der] OEMs dominierte das Marktgeschehen.“ Lageberichte vieler Automobilzulieferer lesen sich ähnlich.

Damit den Automobilzulieferern nicht die gleichen Fehler unterlaufen wie Wilke, haben wir analysiert, welche Maßnahmen Wilke Fleisch in den letzten 10 Jahren in einem vergleichbar herausfordernden Umfeld unternommen hat. So kann man im Umkehrschluss folgern, welche Maßnahmen besser nicht so umgesetzt werden sollten, denn sie können nachweislich zu folgenschweren Unternehmenskrisen führen.

Aus den Jahresabschlüssen der Jahre 2008 bis 2017 geht hervor, dass sich Wilke für die klassische Strategie der Kostenreduktion und Prozessoptimierung entschied. Bis auf eine Ausnahme hat Wilke Fleisch in jedem Jahr Personal entlassen. In jedem 2. Jahr wurde die Personalreduktion mit nicht näher ausgeführten Maßnahmen der Prozessoptimierung und Anlagenmodernisierung kombiniert. Letztere lag aber nur in 2 Jahren über dem Abschreibungsniveau, d. h. es handelte sich überwiegend um Ersatzinvestitionen. Nur in 2 von 10 Jahren wurde von der Suche nach neuen Vertriebsansätzen und vom Lancieren neuer Produkte geschrieben. In jedem Jahr wurde aber vom Preisdruck der großen Einzelhändler, den Kunden von Wilke Fleisch, berichtet.

Diese Maßnahmen führten zu einem Umsatzanstieg von EUR 36 Mio. in 2008 auf EUR 43 Mio. in 2017. Der Personalaufwand wurde zwar von 16 % v. U. auf 9 % gesenkt. Das half aber wenig, da gleichzeitig die Rohertragsmarge sank und die sonstigen Aufwendungen stiegen. Wilkes Strategie, um den Marktherausforderungen zu begegnen, resultierte in einer durchschnittlichen EBITDA-Marge von 1,9%. Damit ist kein Unternehmen langfristig überlebensfähig. Gepaart mit dem in der Presse kolportierten Druck auf das Personal ergab sich eine gefährliche Mischung aus Unterkapitalisierung und Qualitätsschwäche, die zum Schluss Todesopfer forderte.

Folgende Schlussfolgerungen lassen sich daraus für Automobilzulieferer ableiten:

1) Die klassische Maßnahmenkombination von Kostenreduktion und Prozessoptimierung hilft bestenfalls eingeschränkt.

2) Sich auf die Stammkunden und klassischen Vertriebswege zu verlassen, hilft ebenso wenig.

3) Dauerhafte Personaleinsparungen können zu dysfunktionalen Nebeneffekten führen.

Stattdessen sollte neben einer strikten Cash-Flow-Kontrolle mit den verfügbaren Mitteln aktiv nach neuen Produkten, Kunden und Absatzwegen gesucht werden. Zu den verfügbaren Mitteln gehört die eigene Belegschaft, die oft deutlich mehr über Entwickungsmöglichkeiten weiß, als viele Geschäftsführer glauben. Alle gezielt zum aktiven Mitgestalten zu bewegen, bedarf der Änderung und kostet Zeit. Sie spart am Ende aber Geld und kann vor allen Dingen die Zukunft sichern.